rosen
 
   

Highslide JS


Rosenkultur in älterer und neuer Zeit von F. Pollmer - Stadtgärtner in Grossenhain i. S.

Quelle: Archiv - Europarosarium Sangerhausen



Rosenkultur in älterer und neuer Zeit


von F. A. Pollmer - Mai 1905


Seit 35 Jahren ist die Kultur der edlen Rose mein Ideal.
Jeder Rosenzüchter erntet Freude. Der Besitzer großer Rosenschulen, obgleich er die Rosenkultur mit den Augen des Geschäftsmannes ansieht, kommt doch von der Empfindung des Schönen nicht los.




Vor 36 Jahren war es noch anders um die Rosenkultur bestellt, als heute. Es gab damals noch große Mengen wetterfester gesunder Wald- und Feldwildlinge mit guter reicher Bewurzelung; sie waren die denkbar besten Unterlagen für unsere Edelrosen. Was lieferte damals eine sehr geschätzte Firma in Leitmeritz, Böhmen! Ihre Sammler waren in ganz Österreich tätig. Einmal habe ich Gelegenheit gehabt, die eingelieferten Vorräte, die nach Hunderttausende zählten, zu sehen. Heute ist das alles anders geworden. Diese schönen Wildlinge sind nicht mehr. Der Raubbau hat ihre Reihen gelichtet. Es werden zwar immer noch aus diesem und jenem Gebirge Wildlinge zu tausenden empfohlen, aber sie gedeihen nicht mehr gut; bis zur Veredlungszeit geht jedes Mal eine Menge ein.

Das Eifelgebirge liefert wohl heute noch gute Rosenwildlinge in grosser Menge. Als ich im vorigen Jahre Ende August in Trier eine berühmte Rosengärtnerei besuchte und die unvergleichlich schönen Rosenhochstämme bewunderte, wurde mir gesagt, das Eifelgebirge liefere solche Unterlagen. Diese Rosenhochstämme zu sehen - mich als alten Praktikus bringt so leicht nichts aus der Fassung - war geradezu ein Hochgenuss, eine Seltenheit. Die Rosenausstellung in Düsseldorf hatte keine besseren aufzuweisen.

Um Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fing die Rosenkultur an, größere Bedeutung zu gewinnen. Auch dachte man schon an Versuche, durch Aussat von Wildrosensamen Unterlagen zu hochstämmigen Rosen zu ziehen. So viel als möglich aber wurde dem Bezug und der Selbstsammlung von Wildlingen vor der langweiligen Anzucht von Sämlingswildlingen der Vorzug gegeben. Schwächere Wildrosenbüsche wurden gepflanzt, wie sie waren, niedergedrückt, mit guter Erde bedeckt und öfter mit Jauche begossen, jedes Auge machte einen Trieb, der sich an der Basis reich bewurzelte, sie lieferten im zweiten Jahre eine Anzahl schöner starker Wildlingsstämmchen und auch viel jungen Nachwuchs.

Die Liebe zur Rosenkultur und die Erkenntnis dass die Königin der Blumen die schönste Zierde des Gartens ist, wurde allgemein trotz des hohen Preises. Ein Rosenhochstamm mit mäßiger Krone kostete 20 - 25 Groschen; auch ein Thaler wurde für etwas Gutes gezahlt; trotzdem wurde die Nachfrage immer grösser, der Rosenzüchter sah sich gezwungen, hochstämmige Rosenwildlinge aus Samen zu ziehen.

Was gab es damals für Rosensorten gegen heute! Einige haben das Feld behauptet bis auf den heutigen Tag, z. B. 'Souv. d`un ami ', 'Niphetos', 'Chromatella', 'Gloire de Dijon', 'Mme. Pauline Labonté' u.a.m. Die folgenden sind wohl nur selten oder gar nicht mehr vorhanden: 'Globulosa', 'Euphrosyne', 'Mme Stella', 'Mme Stael', 'Victor Trouillard', 'Engel von Astrau', 'Mme Plantier', 'L´enfant du Mont Carmel'. Ich wüsste noch eine Menge Rosen aus jener Zeit zu nennen. Unter allen roten Rosen war 'Reines des vierges'*) die prächtigste. Die Blume war gross und voll, die Farbe ein wundervolles glänzendes Karminrot, sie war in jeder Beziehung eine hochedle Rose. In keinem Verzeichnisse ist dieser Name mehr zu finden. Ob sie irgendwo unter einem andern Namen als Neuheit erschienen ist, wage ich nicht zu behaupten; ich wünsche nur, ich wäre wieder in ihrem Besitz.

Neuheiten kamen damals sehr spärlich, ausschliesslich wohl aus Frankreich, es hiess ganz einfach, in Deutschland können neue Rosen nicht gezüchtet werden, hier fehlt die lange andauernde Sonnenwärme, die zum Ausreifen des Samens notwendig ist. Wie ist das alles so anders geworden!

Der Maschinenmeister Kretzschmer in Riesa a.E. versorgte die Bahnhöfe mittelst einer sehr starken Pumpmaschine mit Elbwasser, dieser Wasserdruck begünstigte aber auch das Gedeihen seines schönen Rosengartens, der mindestens 500 Stück enthielt. Er hatte immer die schönsten und neuesten Rosen, die ihm, wie er mir persönlich damals sagte, ein holländischer Viehhändler aus Holland, ja auch aus Frankreich, wo sein Geschäft ihn hinführte. Von Karl Kretzschmer bezogen die Schloss- und Hofgärtner weit und breit ihre Neuheiten, er liess sich seine Neuheiten, die er in Okulierreisern lieferte, sehr gut bezahlen. Mein Onkel und Lehrprinzipal, Schlossgärtner Bernstein in Hof bei Riesa, hat für ein Reis mit vier Augen von der neuen Rose
'General Jaqueminot ' - es wird 1854 oder 55 gewesen sein - 1 Thlr. 10 Sgr. bezahlt, das weiss ich noch ganz genau. Die Begeisterung für die Rosenkultur war gross; wenn sich einige Berufsgenossen trafen, so drehte sich stundenlag die ganze Unterhaltung nur um die Rosen. Noch viel Interessantes könnte ich berichten wie es vor 50 Jahren mit der Rosenkultur aussah.

Welchen Aufschwung hat die edle Rosenzucht genommen! Von keiner anderen Kulturpflanze kann auf diese Weise berichtet werden, höchstens von der Kartoffel. Welche Auswahl von duftigen Rosen haben wir, und welche gradezu unheimlichen Massen werden gezüchtet, dazu Millionen Pflanzen von Rosa canina in allen Größen. Diese Massenanzucht der letzteren scheint die immer mehr um sich greifenden Pilz- und Rostkrankheiten zu begünstigen. Ganze Felder dieser Pflanzen sehen aus, wie mit Mehl bestreut, auch solche Felder, wo niemals vorher Rosa canina gestanden haben, machen keine Ausnahme. Das war früher nicht. Der Krankheitsstoff liegt schon im Samen. Auch das Kalken des Samens schützt nicht; ganz natürlich, es kann ja nur dadurch die harte Schale, nicht aber der Keim getroffen werden, und dort liegt der Krankheitskeim, der seiner Entwicklung harrt**). So ging es mir wie vielen andern Rosenzüchtern, die sich sagten: Wenn es mit der Rosa canina so fortgeht, wird sie bald abgewirtschaftet haben; es muss etwas anderes gefunden werden.

Verschiedene Rosenwildlingsformen sind in den Handel gebracht worden, nicht eine habe ich übersehen, ich habe sie alle angepflanzt, kennen gelernt, beobachtet, verschiedenartig kultiviert und vermehrt; aber keine hat mir imponieren können. Die echte Rosa canina wird immer die beste sein und bleiben, wenn sie nicht krankte. Mir schwebte immer die 'Rose de la Grifferaie' aus der Gattung Setigera Mchx. mit ihrem gesunden kräftigem Wuchse vor Augen; wie wäre es, wenn man in diese Form Canina-Blut hineinbrächte? Ich habe es versucht, ich bin vor 16 Jahren vorgegangen, habe drei Generationen mit echtem Canina-Pollen befruchtet und daraus einen gesunden winterharten Wildling gezüchtet, der wohl ein wertvoller Baustein im Gebäude der deutschen Rosenkultur werden dürfte, wenn ich nicht mehr bin. Auch als Zierstrauch für die Werke der Gartenkunst ist der
Strauch mit seinen roten Holztrieben, grossen dunkelgrün glanzenden Blättern und großen weissen Blüten vorteilhaft zu verwenden.

Den ersten kleinen Pflanzenvorrat legte ich vor fünf Jahren der Königlich sächsischen Gartenbaugesellschaft Flora in Dresden vor; er fand allgemeinen Anklang. Die Herren Münch und Haufe in Leuben bei Dresden haben seither damit Versuchskulturen getrieben; sie schreiben darüber in der Gartenwelt Nr. 6: "Den von Herrn Stadtgärtner Pollmer in Grossenhain gezüchteten Rosenwildling haben wir seit einigen Jahren beobachtet und schon in grösseren Mengen als Unterlage für niedrige und hochstämmige Rosen benutzt. Der grösste Vorteil gegen Rosa canina ist der, dass der Wildling absolut frei bleibt von Schimmelpilzen. Gerade in diesem Jahre waren links und rechts Caninabeete befallen, sogar einige Caninapflanzen, die zwischen den Pflanzen des neuen Wildlings auf denselben Beeten standen, erschienen weiss, während die Pflanzen der Neuzüchtung nicht im geringsten infiziert wurden. Die Veredlung nimmt diese Unterlage ebenso gut an, wie die alte Rosa canina, und zur Hochstammzucht halten wir die Kreuzung für sehr gut geeignet; sie liefert gleichmässig schöne Unterlagen; allerdings haben wir ganz hohe Stämme für Trauerrosen noch nicht erzielt."

Ich füge nun nur noch hinzu: Im Interesse der Verbreitung ist auf das Inserat in dieser Nummer der Rosenzeitung hinzuweisen.

F. Pollmer
Stadtgärtner
Grossenhain i. S.

*)
'Reine des vierges' eine Bourbon-Rose, um 1845 von Béluze in Lyon gezogen, war nach dem Katalog von Leo Simon blassrosa. Es scheint also hier ein Irrtum obzuwalten. O.S. in L.

**)
Das glaube ich nicht; das Innere des Samenkorns ist sicherlich frei von Sporen fremder Pflanzen. Die Sporen fallen von aussen auf die Blätter; Pilzsporen sind allgemein, wie der Staub. O.S. in L.
Die Schalen der Samen sind zuweilen ganz bedeckt mit Mehltau, besonders wenn sie aus der Fleischkapsel herausgewachsen sind, und da ist es leicht möglich, dass die Cotyledonen des Keimes infiziert werden, sobald die harte Schale aufspringt. P.L.