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						|  | "Weihnacht" 
 Porträt: Clemens Brentano
 Gemälde von Emilie Linder, um 1835
 [Brentano: Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 10101]
 
 Clemens Brentano
 
 
 
 
 
 
 
 
 Ausgewählte Gedichte
 
 Eine Rose hat geblühet
 Also süß, geheimnisreich,
 Daß selbst Gott für sie erglühet,
 Und geworden Menschen gleich.
 
 Keuschheit, Innigkeit und Demut
 Schmückten sie mit Farb und Duft,
 Daß ihr Reiz mit frommer Wehmut
 Bis zum Throne Gottes ruft.
 
 Also hat ihr Duft gezogen,
 Daß den Stärksten sie bezwang,
 Daß ihr an das Herz geflogen
 Ist der Held, um den sie rang.
 
 Daß, der erste und der letzte,
 Des allmächt'gen Gottes Sohn
 In den Schoß der Rose setzte
 Aus dem Himmel seinen Thron.
 
 Wie das Einhorn kömmt gesprungen
 Gern zu reiner Jungfraun Schoß
 Und sein Haupt, das nie bezwungen
 Beuget aller Wildheit bloß,
 
 So ihr inniges Verlangen
 Zog den Helden in das Land,
 Und sie band, den sie gefangen,
 Mit der Liebe stärkstem Band.
 
 
 Lieblich hat sie ihn empfangen,
 Ach er grüßte so vertraut!
 Und sie hat ihn süß umfangen,
 Wie den Bräutigam die Braut,
 
 Führt ihn ein zum Heiligtume,
 In des Herzens Kämmerlein,
 Wo mit ihm die reine Blume
 Mutterselig war allein.
 
 Wo sie den Geliebten legte
 In ein Bettlein keusch und rein,
 Und ihm, den sie lieblich pflegte,
 Schenkte süßen Balsam ein,
 
 Daß der ganz von Lieb' Berauschte
 Schlummernd dort neun Monde lag
 Und sein eignes Herz belauschte
 In des Mutterherzens Schlag.
 
 Und als nun der Held erwachte,
 O da war der Starke lind!
 Der da Erd' und Himmel machte,
 War ein kleines, süßes Kind.
 
 Den Unfaßlichen die Rose
 Bindet fest in Tüchlein ein,
 Wiegt ihn spielend ein im Schoße,
 Legt ihn in ein Krippelein.
 
 
 Und durch Demut führt die Holde
 Den Allmächt'gen nah und fern,
 Hin und wieder, wo sie wollte,
 Führt den Herrn die Magd des Herrn,
 
 Bringt zum Tempel den Geliebten,
 Setzt ihn auf ein Eselein,
 Führt ihn fern bis in Ägypten,
 Und er folgt dem Mütterlein,
 
 Flüchtet durch die dürre Wüste
 Ihren Schöpfer vor Gefahr,
 Und es nähren ihre Brüste
 Ihren Gott, den sie gebar.
 
 Führet ihren Gott zurücke
 An der treuen Mutterhand,
 Als erlosch des Feindes Tücke,
 In sein ird'sches Vaterland.
 
 Führt zu seines Tempels Hallen
 Den Allmächtigen, ein Kind,
 Lehrt ihn die Gebete lallen,
 Die ihm selbst gebetet sind.
 
 Und als sie im Tempel lehrend
 Den Vermißten wiederfand,
 Folgt er ihre Mahnung ehrend
 Wie ein Kind am Gängelband.
 
 
 Wie geschah dem Gottessohne
 Als der edlen Rose Duft
 Bis zum hohen Himmelsthrone
 Aus den Erdendornen ruft,
 
 Ganz in Liebe er erglühte
 Los er sich vom Vater wand,
 Sprang zur wundersüßen Blüte,
 Die da in den Dornen stand.
 
 Hat die Dornen wohl empfunden,
 Ward wohl selbst ein Röslein rot,
 Blutete, von Dorn umwunden,
 Aus fünf Rosen sich zu tot.
 
 Und empfangen von der Rose
 Süß nach weiblicher Natur
 Folgt allein er dem Gekose
 Ihres lieben Willens nur.
 
 Und als ihn die Süße, Holde
 Schloß im keuschen Herzen ein,
 Wo sie nur ihn haben wollte,
 Trank er also süßen Wein,
 
 Daß der Gottheit unermessen
 Und der Engel lichte Pracht
 Er im Mutterschoß vergessen,
 Wenn die Jungfrau niederlacht,
 
 
 Und mit lieblicher Geberde
 Hüllt sie in ein Knechtsgewand
 Den, der Himmel schuf und Erde,
 Liebe zwingt zu niederm Stand.
 
 Zwinget in dem Sklavenkleide
 Ihn so manches bittre Jahr,
 Daß er tue, daß er leide,
 Was er nicht gewöhnet war.
 
 Und als nun im Todeskleide
 Er ins Elend trat heraus,
 Daß das Lamm in Dornen weide,
 Brach es laut in Tränen aus.
 
 Fühlte gleich die Dornen stechen
 Nach des Rosenbettleins Ruh'
 Und es war, als wollt' er sprechen:
 Ach! wie komme ich dazu?
 
 Und Maria lächelt freudig
 Dem gefangnen Königssohn,
 Mit dir lieb' ich, mit dir leid' ich,
 Doch du kommst mir nicht davon!
 
 Gott sei Preis, daß fest gebunden
 Ich durch Liebe dich, o Held!
 Hat dich Liebe überwunden,
 So besieg' mir nun die Welt!
 
 Eh' dein Vater zu der Rechten
 Dich, o Sohn! erhöhen soll,
 Werd' erst Gnade seinen Knechten,
 Denn er hieß mich gnadenvoll!
 
 Adam und all seine Kinder
 Mußt du erst vom Zorn befrein,
 Dann magst du, o Trost der Sünder
 Wieder bei dem Vater sein.
 
 
 Und daß dieser nicht dem Sohne,
 Und der Sohn sein selber nicht
 Zu der Sünder Heil verschone,
 Ging die Liebe ins Gericht.
 
 Und es gab das Kind der Rose
 All sein Blut so rosenrot,
 Fiel aus seiner Mutter Schoße
 In die Dornen, in den Tod.
 
 Ach die Sünder kosten teuer
 Kosten Schmerzen ihn genug,
 Bis er aus des Zornes Feuer
 Sie ins Bad der Gnade trug.
 
 Und wer nun hier in der Rose
 Fein das süße Kindlein sieht,
 Dank' daß aus der Jungfrau Schoße
 Ihm auch ist das Heil erblüht!
 
 Hab' dies Weihnachtslied gesungen
 Von dem süßen Rosenkind,
 Bin von Dornen so umschlungen,
 Daß ich wund und krank und blind.
 
 Ist drum nicht dies Lied gelungen
 Mag es sein, weil wie ein Kind
 In den Dornbusch ich gedrungen,
 Daß ich dir ein Sträußlein bind'.
 
 Hab' nur Dornen mir gesammelt,
 Geb' dir all die Rosen hin,
 O vergieb dem Schmerz der stammelt,
 Laß mich scheinen, was ich bin.
 
 
 Quelle:
 [Brentano: Ausgewählte Gedichte, S. 922 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 11066 (vgl. Brentano-W Bd 1, S. 587 ff.)]
 
 
  
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