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"Der August in Deutschland"


Peter Zudeick

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Sein Name ist Philipp Mißfelder, wofür er nichts kann. Er ist 23 Jahre jung, Vorsitzender der Union und auch sonst herzlich unbedeutend, und er fordert, alten Menschen keine Hüftoperation, sondern höchstens ein paar Krücken zu spendieren. Zahnersatz soll's auch nicht mehr geben, die Alten sollen auf den Felgen kauen, weil die Jungen diesen Luxus nicht mehr bezahlen können. Ja, da kam aber viel Freude auf in der Republik, als der junge Herr solches vor sich hin geblubbert hatte ...


Das muss an der Hitze liegen. Anstatt im August richtig Ferien zu machen, der Sommerpause tatsächlich die Pause zu gönnen, rödeln unsere Akteure wie die Wilden umeinand. Nein, ich meine jetzt nicht den Arnold Schwarzenegger. Dass der nun wirklich und endgültig Gouverneur von Kalifornien werden will - geschenkt. Unangenehm war nur, dass vor lauter Schreck über diese Nachricht der Strom im Norden der USA und im Süden Kanadas mal einfach so ausgefallen ist. Ja, sicher zwei Wochen später, aber so lange dauert's nun mal, bis sich so viele Stromnetze entschließen, gemeinsam zusammenzubrechen. Mehrere Millionen Menschen ohne Strom. Die sind schon super, die Amis.
Derweil stieg die Hitze den Deutschen derart zu Kopfe, dass sogar das Zentralorgan der grunddebilen Massen-Geschmacklosigkeit Rettung bei Schröder suchte: ,,Kanzler, tu was!" Woraus wir schließen durften: Dem zu Hause gebliebensten Kanzler aller Zeiten traut die blödeste Blöd-Zeitung aller Zeiten auch die Bewältigung der Hitze zu. Weil das aber irgendwie nicht klappte, mußte sie die Frage aller Fragen stellen: ,,Werden wir alle Afrikaner"? Allerlei Prominente erscheinen als Negerköppe, gar lustige Namens-Spielchen inklusive: Angola Merkel, Botswana Bohlen, Ghana Gottschalk und Sonnen-Kanzler, da birst schon mal die Kauleiste vor lauter Lachgebrüll.

Und so ganz nebenbei unterbricht der Schröder seinen Urlaub für einen Tag und macht mit ein paar Helfern im Grünen mal eben die Gewerbesteuer neu. Das könnte zur Gewohnheit werden. Früher, als Helmut Kohl noch regierte, war für ein paar Wochen Sense. Der Dicke streichelte am Wolfgangsee Kühe und anderes Getier, und in Bonn war eine Ruhe. Der Schröder unterbricht ständig seinen Urlaub, um zu zeigen: Hier wird permanent regiert. ,,Das Reformtempo wird auch bei schönem Wetter fortgesetzt,, nudelte er in alle möglichen Mikrofone. Das geht nun wirklich zu weit. Es führt nämlich dazu, dass Schröders Truppe nach den Ferien 2000 Seiten Reformtempo vorlegt. Da blickt doch keiner mehr durch. Deshalb schreien auch alle vorsichtshalber auf: Zu viel, zu teuer, zu wenig, zu spät, wie auch immer. Die Länder haben kein Geld, die Kommunen haben überhaupt kein Geld, und den Hans Eichel berührt das gar nicht: ,,Allen steht finanziell das Wasser Oberkante Unterlippe", hat er gesagt. Und weiter: ,,Da kann man der Mund nicht mehr so groß aufreißen." Im Prinzip richtig. Es sei denn, man ist ein Nilpferd. Aber wer ist das schon in der Politik.

Damit das alles nicht so langweilig wird, erfreute uns auch die Union mit dem, was sie am besten kann: Streit. Wobei die ihre Performance inzwischen allerfeinst perfektioniert haben. Die Themen sind völlig wurscht, es geht nur noch darum: Merkel ist dafür, Stoiber dagegen, Koch dagegen, Merz dagegen. Wulff nimmt Merkel in Schutz, Merz rudert zurück, Stoiber interpretiert sich selbst als inhaltliches Mißverständnis, Koch sagt gar nichts, dafür tags drauf das Gegenteil von dem, was er vorher nicht gesagt hat - wunderbar einstudiert, das Ganze, oscarreif.
Und wem das noch zu langweilig war, der bekam den Super-Thrill geliefert:
Sein Name ist Philipp Mißfelder, wofür er nichts kann. Er ist 23 Jahre jung, Vorsitzender der Union und auch sonst herzlich unbedeutend, und er fordert, alten Menschen keine Hüftoperation, sondern höchstens ein paar Krücken zu spendieren. Zahnersatz soll's auch nicht mehr geben, die Alten sollen auf den Felgen kauen, weil die Jungen diesen Luxus nicht mehr bezahlen können. Ja, da kam aber viel Freude auf in der Republik, als der junge Herr solches vor sich hin geblubbert hatte. Wobei das mit den Hüften und Krücken dann doch nicht so gemeint gewesen sein soll. ,,Es war ein Bild, das ich benutzt habe, um zu zeigen, wie sehr es brennt in unserer Generation", hat er hinterher gesagt, der Herr Mißfelder.

Und was brennt? Die Sonne brennt dieser Generation schwer auf den Schädel, so dass sich die Frage aufdrängt, ob man Herrn Mißfelder auf Kosten der Gemeinschaft ein Hirn implantieren sollte. Aber da keiner weiß, wozu das gut sein sollte, lassen wir es lieber. Immerhin war Mißfelders Versuch, in die Schlagzeilen zu kommen, von bemerkenswertem Erfolg gekrönt. Am schlimmsten sind die ,,Tagesthemen"-Kollegen auf den jungen Herrn reingefallen: Und so durfte er sich von Ulrich Wickert befragen lassen, womit das Ziel seiner politischen Karriere erreicht sein dürfte. Mehr ist von Herrn Mißfelder nicht zu erwarten.
Unterdessen wurde es unserem Schröder Gerd aber zu bunt. Was reden die Leute von alten Hüften, gar von einem neuen Bundespräsidenten - ich setze hier die Themen, hat er sich gesagt. Und was für welche: Schröder wird zum Opern-Kanzler. In einer Woche zweimal in die Oper - soviel Kultur ist schon ein Hammer. Zuerst pilgert unser aller Kanzler nach Bayreuth, um dortselbst mit seinem Staatsgast aus Japan bei ,,Tannhäuser" ein Nickerchen zu halten. Das war an einem Montag. Am Freitag der nämlichen Woche ab nach Verona. Nicht Feldbusch sondern Verona in Italien. Da gab's ,,Carmen". Und eine Versöhnungsbegegnung mit dem öligen Herrn Berlusconi. Der aber dann auf ,,Carmen" verzichtete, weil ihm einer verraten hatte, dass die Oper in Spanien spielt.

Das mag so einer wie der Silvio nicht. Zurück in Berlin, muss Schröder sich anhören, wie Guido Westerwelle von einer ,,Südamerikanisierung" der Rentenpolitik schwadroniert. Und was ist das? ,, Ist Geld da, wird's ausgegeben, ist kein Geld da, gibt's keine Rente." Gut, das verstehen wir. Macht aber alles nichts. Nach der Schnöselisierung der Politik in Gestalt von Herr Westerwelle halten wir auch noch die Südamerikanisierung aus.
Damit hätte es dann auch gut sein können, wenn, ja wenn nicht der Quartalsirre Ronald Schill in Hamburg wäre. Der in einer Kamikaze-Aktion erster Qualität sich um seinen Job bringen mußte. Was wir natürlich aufs Schärfste begrüßen. Vor allem wegen der Umstände: Bürgermeister von Beust wirft seinen Innensenator raus, weil der damit gedroht haben soll, zu verraten, dass von Beust angeblich homosexuell ist.

Und der Justizsenator auch. Kaum rausgeworfen, erzählt Schill genau das der Öffentlichkeit und auch, dass die angeblich eine gemeinsame Wohnung haben und, jetzt wörtlich, ,,dass es in der Wohnung und im Bereich der Wohnung zu gewissen Dingen kommt, die auf Liebesakte schließen lassen." Ja, zum Teufel, das will ich doch genauer wissen: Was sind gewisse Dinge, die auf Liebesakte schließen lassen? Wieso erfährt man in dieser doofen Republik nie das, was wirklich interessant ist? Es wird Zeit, dass der Schill eine eigene Talkshow bekommt. Dann erfahren wir's vielleicht doch noch.

Quelle:
TRIANGEL - DAS RADIO ZUM LESEN
Oktober 2003
8. Jahrgang